
Rose-Rosahl-Fall: Error in
persona des Angestifteten
(Preußisches Obertribunal, Urteil v. 05.05.1859 – Crimin.-S. Nr. 6)
Strafrecht AT / Error in persona / Anstiftung |
Relevanz
Es gibt viele sogenannte „Klassiker-Urteile“ im Strafrecht, doch nur wenige sind so klassisch, wie der Rose-Rosahl-Fall. Er betrifft die absoluten Basics im Allgemeinen Teil des Strafrechts und eignet sich hervorragend, um die Grundsätze des error in persona zu wiederholen.
Sachverhalt
Der Holzhändler Rosahl versprach dem Arbeiter Rose, ihn reichlich zu belohnen, wenn er den Zimmermann Schliebe erschießt. Rose erschien das Angebot angesichts seiner misslichen finanziellen Lage durchaus attraktiv, weshalb er zusagte.
Er legte sich daraufhin am 11. September 1858 abends in den Hinterhalt, um Schliebe, den er genau kannte, aufzulauern. In der Dämmerung sah er einen Mann, den er für Schliebe hielt. Tatsächlich handelte es sich aber um den 17-jährigen Ernst Heinrich Harnisch. Rose schoss daraufhin auf Harnisch, der verstarb.
Problem
Die Strafbarkeit von Rose richtet sich nach einer wesentlichen Frage: Wie ist der Irrtum des Rose zu behandeln, der dachte, bei Harnisch handelt es sich in Wirklichkeit um Schliebe? Darüber hinaus muss geklärt werden, welche Folgen die Beantwortung der Frage für die Strafbarkeit des Rosahl hat. § 211 StGB wird nicht geprüft.
Lösung
Strafbarkeit des Rose
Rose hat einen Menschen kausal und ihm zurechenbar getötet. Damit ist der Tatbestand des § 212 I StGB erfüllt. Fraglich ist jedoch, ob Rose auch Vorsatz innehielt. Er stellte sich vor, dass es sich bei seinem Opfer um Schliebe handelt, der in Wirklichkeit jedoch Harnisch war. Damit unterlag Rose einem Irrtum über die Identität des Opfers, folglich einem sogenannten error in persona. Da Rose jedoch einen Menschen (vgl. Wortlaut des § 212 I StGB) töten wollte und dies auch getan hat, ist die Identität des Opfers für die Strafbarkeit nicht von Belang. § 212 I StGB bestraft abstrakt die Tötung eines Menschen. Der error in persona ist daher unbeachtlich – Rose handelte mithin vorsätzlich. Eine Strafbarkeit gem. § 212 I StGB ist zu bejahen, §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 5 StGB tritt subsidiär zurück.
Strafbarkeit des Rosahl
Indem Rosahl den Rose zum eben geprüften Totschlag aufforderte, könnte er sich wegen Anstiftung zum Totschlag gem. §§ 212 I, 26 StGB strafbar gemacht haben. Da er bei Rose den Tatentschluss zu der vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat hervorrief, „bestimmte“ er ihn zu der Tat i.S.v § 26 StGB.
Höchst fraglich war für das preußische Obertribunal zum damaligen Zeitpunkt aber, ob Rosahl auch Vorsatz bzgl. des von Rosahl begangenen Totschlags hatte. Die Frage, ob der Irrtum des Angestifteten auf die Strafbarkeit des Anstifters „durchschlägt“, stellt sich bis heute noch. Hierzu werden drei erwähnenswerte Theorien vertreten.
Da der Anstifter den Angestifteten „losschickt“, um die Tat zu begehen, wird der Irrtum des Rose nach der sogenannten „Aberratio-ictus-Lösung“ als eine aberratio ictus (Fehlgehen der Tat) für den Rosahl behandelt. Demnach wäre Rosahl nur wegen einer versuchten Anstiftung strafbar.
Nach der Unbeachtlichkeitstheorie (die auch der Entscheidung des preußisches Obertribunals entspricht) ist der Irrtum des Rose für den Rosahl in jedem Fall unbeachtlich und eine Strafbarkeit wegen Anstiftung zum Totschlag folglich zu bejahen.
Einen anderen Lösungsweg stellt der Konkretisierungsansatz dar: Dieser stellt darauf ab, inwiefern der Anstifter die Vorgaben zum Tatablauf konkretisiert hat und ob sich der Haupttäter an diese Vorgaben gehalten hat. Bei Abweichung von diesem Tatablauf wäre der Irrtum des Haupttäters beachtlich. Rose hat sich aber an die Vorgaben des Rosahl gehalten, der Irrtum wäre deswegen auch nach dem Konkretisierungsansatz unbeachtlich.
Die Aberratio-ictus-Lösung lehnt die Strafbarkeit wegen Vollendung ab. Fraglich ist daher, welcher Ansicht zu folgen ist. Gegen die Unbeachtlichkeitstheorie und den Konkretisierungsansatz spricht grundsätzlich, dass wenn der Täter seinen Fehler bemerkt und dann zusätzlich auch noch das tatsächlich gemeinte Opfer tötet, der Anstifter wegen zweifacher Anstiftung zum Mord zu bestrafen wäre, obwohl er nur die Tötung eines Menschen wollte. Zwar haften Anstifter nicht für Exzesse des Angestifteten; die Tötung des tatsächlich gemeinten Opfers kann jedoch keinen Exzess darstellen, da gerade diese vom Willen des Anstifters umfasst ist. Der Anstifter müsste also für das gesamte „Blutbad“ geradestehen, obwohl sich sein Vorsatz von vornherein nur auf ein Opfer und auf eine Tat erstreckte (sog. „Blutbadargument“).
Allerdings spricht schon der Wortlaut des § 26 StGB („wie ein Täter“) dafür, den Irrtum nach den Grundsätzen der Akzessorietät der Teilnahme als unbeachtlich einzustufen. Außerdem gibt der Anstifter die Tat ganz bewusst aus der Hand und nimmt somit in gewisser Weise in Kauf, dass eine solche Personenverwechslung passieren könnte. Im Ergebnis ist daher anzunehmen, dass der error in persona für den Anstifter genauso unbeachtlich ist, wie für den Angestifteten.
Rosahl hat sich somit wegen Anstiftung zum Totschlag gem. §§ 212 I, 26 StGB strafbar gemacht.
Entscheidung
Preußisches Obertribunal, Urteil v. 05.05.1859 – Crimin.-S. Nr. 6 (Wikisource).
Weitere Artikel
Vgl. zum Hoferbenfall, Yannic Weber, StudZR 3/2005, S. 403 ff.